Einst

Die Geschichte des österreichischen St. Georgs-Kollegs geht zurück bis in das Jahr 1882. Damals wurde die Georgs-Kirche, die es vermutlich schon im ersten Jahrtausend gab und die im Mittelalter auch als Bischofssitz diente, als Mittelpunkt des St. Georgs-Werks erworben. Die Schule, in die auch Kinder ärmerer Familien aufgenommen werden sollten, wurde im selben Jahr gegründet.  Im Jahre 1889 wurde dann das St. Georgs-Werk von den österreichischen Lazaristen und Barmherzigen Schwestern übernommen und die Schule somit zur österreichischen Schule in Istanbul. Sie bestand, wie damals für katholische Schulen üblich aus einer Knabenschule und einer Mädchenschule.

Die Schwestern waren neben der Schule auch in einem Krankenhaus tätig, das als Sen Jorj Hastanesi vor allem bei der ärmeren Bevölkerungsschicht von Istanbul bekannt war. Im Jahre 2003 zogen sich die Schwestern allerdings aus dem Schulbetrieb zurück, nachdem bereits 1995 die Mädchenschule und die Knabenschule zu einer Schule verbunden worden waren. Heute sind die Schwestern nur noch im Krankenhaus tätig, das mit privaten Spenden und Hilfen aus Österreich renoviert und modernisiert wurde und zu günstigen Preisen eine gute medizinische Versorgung bietet.

Im Schulbereich war zunächst nur an eine Volksschule gedacht. Das Schulsystem war damals in Istanbul aber noch sehr wenig ausgebaut, und deshalb sandten auch Angehörige anderer Nationalitäten und die hier ansässigen Minderheiten sowie vereinzelt auch türkische Familien ihre Kinder hierher. So kamen immer weitere Schulstufen hinzu, bis im Jahre 1913 der erste Schüler die Reifeprüfung ablegen konnte. Im Jahr 1914 hatten die österreichischen Stellen wegen der besonderen Bedeutung, die das St. Georgs-Kolleg inzwischen erlangt hatte, einen völligen Neubau beschlossen. Kurz nachdem mit dem Abbruch begonnen worden war, brach der erste Weltkrieg aus, was zum sofortigen Stopp der Umbauarbeiten führte.

Da alle französischen Schulen wegen der Kriegsereignisse geschlossen worden waren, nahm der Zustrom von Schülern gewaltig zu und es musste teilweise provisorisch in gemieteten Räumen der Nachbarschaft unterrichtet werden. 1918 folgte der Zusammenbruch der Mittelmächte und das Ende Österreich-Ungarns. Während andere österreichische Institutionen in Istanbul geschlossen wurden, bemühte man sich in St. Georg, das Werk weiterzuführen. Im Februar 1919 wurde die Schule aber auf Befehl des französischen Stadtkommandanten geschlossen und die österreichischen Mitarbeiter von St. Georg aus der Türkei ausgewiesen. Erst nach dem Sieg der Truppen Kemal Atatürks konnte die österreichische Schule erneut geöffnet werden. Freilich war es für die österreichischen Lazaristen und Barmherzigen Schwestern sehr schwer, in dieser neuen Situation der Türkei, aber auch ihrer eigenen Heimat, das Werk weiterzuführen. Es gab zahlreiche Stimmen, die der Meinung waren, man möge dieses Schulwerk beenden, da doch die vielen deutschsprachigen Familien in der Türkei nicht mehr zu finden seien. Österreich selbst konnte außer guten Ratschlägen keinerlei Hilfe geben. Damals schlossen viele ausländische Institutionen, die sich der Vergangenheit verbunden fühlten, ihre Werke, und nur wenige waren es, die sich voll der neuen Zielsetzung der Republik Kemal Atatürks öffneten. Eine von ihnen war die österreichische Schule. Schrittweise gelang auch der Wiederaufbau eines geordneten Schulbetriebs und es kamen auch wieder junge Mitarbeiter aus Österreich.

1938 wurde durch den Einmarsch Hitlers in Österreich das österreichische St. Georgs-Kolleg über Nacht plötzlich zum deutschen St. Georgs-Kolleg. Als 1944 die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei abgebrochen wurden, kam es zur zweiten Schließung der Schule. Der Druck von Seiten der nationalsozialistischen Vertreter ging dahin, diesen Abbruch total durchzuführen und ins Deutsche Reich zurückzukehren. Die Mitarbeiter von St. Georg nahmen aber das türkische Angebot an und gingen für eineinhalb Jahre in die Internierung nach Zentralanatolien.

Da es keine Kriegserklärung gegen Österreich gegeben hatte, konnte die Schule nach dem Krieg bereits 1947 ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. Ebenso wie 30 Jahre zuvor bemühten sich die Verantwortlichen von St. Georg das Interesse der österreichischen Unterrichtsbehörde für die Arbeit in der Türkei erneut zu gewinnen, und im Lauf der folgenden zwei Jahrzehnte entwickelte sich die Schule wiederum ganz gezielt zur Österreichischen Schule in Istanbul, an der bis zu 45 österreichische Subventionslehrer unterrichteten.

Durch eine grundsätzliche Reform des türkischen Schulwesens im Jahre 1998 wurde die Schulpflicht von fünf auf acht Jahre verlängert. Diese musste an einer Grundschule absolviert werden. Mittelstufen (Schulstufe 6-8), die bisher Oberstufenschulen angeschlossen waren, mussten Grundschulen angegliedert werden. Diese Reform war an sich nicht gegen Schulen wie die unsere gerichtet, traf aber auch uns, und so musste die Unterstufe des St. Georgs-Kollegs geschlossen werden. Damit wurde ein Wechsel an das St. Georgs-Kolleg erst nach der 8. Klasse möglich.

Im Zuge einer weiteren Reform wurde 2012 die Schulpflicht auf zwölf Jahre verlängert und ein vier-plus-vier-plus-vier-System eingeführt. Die Mittelstufen konnten damit auch wieder den Oberstufen angegliedert werden. Nur den ausländischen Privatschulen, zu denen das St. Georgs-Kolleg zählt, wurde dies verwehrt, und so ist der Wechsel an das St. Georgs-Kolleg noch immer erst nach der 8. Schulstufe möglich, was natürlich eine große Herausforderung für den deutschsprachigen Unterricht darstellt.

und heute:

Das Bildungsangebot des von den österreichischen Lazaristen geführten Sankt Georgs-Kollegs setzt sich aus wesentlichen Elementen des türkischen und österreichischen Schulwesens zusammen und vermittelt eine breite Allgemein-bildung. Die Schülerinnen und Schüler können neben dem türkischen Diplom zusätzlich ein Zeugnis erwerben, das einem in Österreich ausgestellten Reifezeugnis gleichgestellt ist. Für die Absolventinnen und Absolventen steht daher über die türkische Universitätsaufnahmeprüfung bzw. über die Matura der Zugang zu den Universitäten in der Türkei, in Österreich und anderen Ländern offen. In diesem Schuljahr haben mehr als 80 Prozent die Absicht, die Matura zu machen.

Derzeit hat die Schule 200 Schülerinnen und 295 Schüler, die in insgesamt 26 Klassen von 35 österreichischen Subventions-lehrer/inne/n, drei deutschsprachigen und 20 türkischsprachigen Ortslehrkräften unterrichtet werden. Die Anzahl der von Österreich subventionierten Stellen wurde leider von 47 im Schuljahr 2001/2002 in den letzten Jahren stufenweise gesenkt.

In der Vorbereitungsklasse, die von fast allen Schülerinnen und Schülern besucht wird, findet Türkischunterricht und intensiver Deutschunterricht statt, der durch andere deutschsprachige Fächer ergänzt wird. Daran schließen die vier Oberstufenklassen des Realgymnasiums oder der Handelsakademie an, in denen etwa drei Viertel des Unterrichts in deutscher Sprache erfolgt. Von österreichischen Lehrkräften werden die Fächer Deutsch, Englisch, Französisch, Psychologie und Philosophie, Mathematik, Biologie, Physik, Chemie, Bildnerische Erziehung und Musik unterrichtet. Die sogenannten türkischen Kulturfächer, Türkische Sprache und Literatur, Geographie, Geschichte, Religion und Leibeserziehung sind den türkischen Lehrkräften vorbehalten.

Österreich hat für eine Sonderpostmarke zum 100-jährigen Bestand des Kollegs im Jahr 1982 ein Bild des österreichischen Malers Anton Lehmden gewählt. Dieses zeigt die erste Bosporus-Brücke, die Europa mit Asien verbindet. Damit eine Brücke ihren Zweck erfüllt, soll sie in beiden Richtungen begangen werden. Und das soll im St. Georgs-Kolleg, so hoffen wir, auch in Zukunft geschehen, damit das Kolleg eine Begegnungsstätte zwischen Österreichern und Türken, zwischen verschiedenen Religion und Kulturen bleibt.

Das wurde auch von offizieller Seite knapp vor der Feier des 125jährigen Bestehens festgestellt. Die Außenministerien der Türkei und Österreichs unterzeichneten im Juni 2005 eine Vereinbarung, in der sie erklären:  „Das St. Georgs-Kolleg ist eines der bemerkenswertesten Beispiele der österreichisch-türkischen Zusammenarbeit und wird von beiden Seiten als Brücke zwischen unseren Völkern betrachtet. Beide Seiten werden jede mögliche Anstrengung unternehmen, um den reibungslosen Ablauf des österreichischen St. Georgs-Kollegs Istanbul als private ausländische höhere Schule zu gewährleisten.“

Weitere Informationen finden Sie auf unserer Webseite:  http://www.sg.k12.tr


Die Gemeinde

Das Lazaristenhaus St. Georg in Istanbul versteht sich seit 140 Jahren aus dem Anliegen heraus, Begegnung zu ermöglichen und Brücken zu schlagen zwischen verschiedenen Kulturen, Weltanschauungen und Religionen. Die Lazaristen wirken seit dem Jahr 1882 im St. Georgs-Kolleg, der ältesten österreichischen Auslandsschule, sowie in der von der österreichischen Bischofskonferenz geförderten katholischen St. Georgs-Gemeinde.

Zum Kolleg:

Die Österreichische St. Georgs-Gemeinde in Istanbul ist zutiefst im vielfältigen St. Georgs-Werk, das Kolleg der Lazaristen und Spital der Barmherzigen Schwestern umfasst, verankert. Diese Gemeinde versteht sich als offener Begegnungsort für Österreicherinnen und Österreicher in Istanbul. In dieser Stadt wollen wir einerseits als Christen leben und andererseits in Respekt dem Islam als der Religion der hiesigen Menschen begegnen. Ebenso ist uns bewusst, dass diese Stadt das Erbe der östlichen Christenheit weiterträgt und so beten wir als kleine katholische Gemeinschaft auch täglich für den Bischof dieser Stadt, den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios und pflegen die Kontakte zu den einheimischen orthodoxen, armenischen und aramäischen Christen sowie zur jüdischen Gemeinde der Stadt.

Interreligiöse und Ökumenische Informationen bietet das St. Georgsblatt. Wir informieren hier aber auch seit Jahren über Grundbegriffe vinzentinischer Spiritualität.

Das österreichische Säkularinstitut Werk der Frohbotschaft Batschuns hat in Zusammenarbeit mit den Lazaristen das Christlich-Muslimische Forum (CMF) aufgebaut und ist ein Angebot für alle, die sich mit dem christlich-muslimischen Dialog in Österreich und der Türkei beschäftigen wollen – mit praktischem Schwerpunkt. Auf theologischer Ebene versuchen wir, das gegenseitige Verständnis durch Information und Reflexion (CMF-Bibliothek sowie Artikeln und Buchbesprechungen) zu vertiefen. Verständnis wächst wesentlich durch Begegnung, die im Rahmen von verschiedenen Veranstaltungen ermöglicht werden soll. Wir sehen sehr viele Initiativen im Bereich des Dialogs, sowohl in der Türkei als auch in Österreich, und möchten zur Vernetzung wie Zusammenarbeit unterschiedlichster Institutionen, Gruppierungen und Interessierter beitragen – neben dem Einbringen unserer eigenen Kompetenzen.

Viele soziale Aktivitäten setzt unsere Vinzenzgemeinschaft, die nach Anfängen im 19. Jahrhundert im Jahr 1991 erneut begründet wurde.

Als katholische Gemeinde sind wir Teil der katholischen Ortskirche von Istanbul, bemühen uns aber auch um vielfältiges gemeinsames Arbeiten mit der deutschen evangelischen Gemeinde.

Als christliche Gemeinde laden wir herzlich Besucher von Istanbul ein, nicht nur diese Stadt kennenlernen wollen, sondern auch unsere alte St. Georgs-Kirche in Galata zu besuchen, die der österreichische Künstler Anton Lehmden in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts neu gestaltet hat.

Links:
Unser langjähriger Superior und Direktor: In memoriam Franz Kangler CM
Gemeindehomepage: www.sg.org.tr
St. Georgs-Blatt: Aktuelle Nummer (sg.org.tr) Aktuelle Nummer (sg.org.tr)
Zur Geschichte: 120 Jahre St. Georg (sg.org.tr)
Kontakte und Lageplan: Kontakte (sg.org.tr)
Vinzenzgemeinschaft: VG St. Georg (sg.org.tr)
Grundbegriffe vinzentinischer Spiritualität Grundbegriffe (sg.org.tr)
CMF: siehe oben im Text


Unsere Mitbrüder in Istanbul

Robert Puzia CM

Robert Puzia CM

Geboren in Tarnow/Polen, kam er schon als Student in die Österreichische Provinz der Lazaristen.
Nach einigen Jahren in der Seelsorge hat er ein zweites Magisterstudium in Philosophie absolviert und begonnen, im Priesterseminar in Kiew zu unterrichten. Kürzlich hat er das Doktorat in Philosophie erlangt.
In den Sommermonaten war er viele Jahre zur Aushilfe in Istanbul und lernte auch schon Türkisch, bevor er 2016 zur Hausgemeinschaft gestoßen ist.


Alexander Jernej CM

Geboren in Graz-Umgebung, ist er seit September 2015 Superior und Verantwortlicher für die Gemeinde, seit 2021 auch Vertreter des Schulerhalters.
Daneben ist er Provinzdirektor der Barmherzigen Schwestern von Graz/Mitteleuropa.
Seit Jahren beschäftigt er sich nach einem zweijährigen Studium in Rom (Lizenziat) mit vinzentinischer Geschichte und Spiritualität


Die erweiterte Hausgemeinschaft

v. l. n. r.: Gerda Willam (Werk der Frohbotschaft/Batschuns), Prälat Dr. Nikolaus Wyrwoll, Mitbrüder