Vinzenz-von-Paul-Gymnasium Prüm

Schulseelsorge-Pastoral im Handlungsfeld Schule

„Unterscheiden sich eigentlich die Schülerinnen und Schüler Ihrer Schule von denen anderer Schulen?“ So werde ich öfter von Kollegen oder von Eltern, die an unserer Schule interessiert sind, gefragt. Meine Antwort muss lauten: „Überhaupt nicht!“


Die Schülerinnen und Schüler des Vinzenz-von-Paul-Gymnasiums kommen aus dem gleichen gesellschaftlichen Umfeld und sie leben in der gleichen kirchlichen Situation wie andere Schüler auch. Sie wachsen in gesellschaftlichen Verhältnissen auf, in denen Gewalt und Aggressionen – auch an Schulen – immer mehr zunehmen, in denen jede dritte Ehe geschieden und die Zahl der Alleinerziehenden immer größer wird, in der die von allen akzeptierten Werte immer mehr zu schwinden scheinen. Sie wachsen in einer Situation auf, in der die religiöse Sozialisation immer geringer wird, in der Religion und Kirche ein Sinnangebot unter vielen sind, in der kirchliche Vollzüge immer mehr zurückgeben und in der die Zahl kirchlich Engagierten immer kleiner wird. Die Schüler wachsen heute in einem Umfeld auf, in dem sie Religion und Glaube in der Familie und in einem halbwegs geschlossenen kirchlichen Milieu immer weniger erleben.

D. h., das Vinzenz-von-Paul-Gymnasium ist keine Insel der Seligen. Auch in unserem Religionsunterricht sitzen immer mehr religiöse Analphabeten, denen man immer schwerer vermitteln kann, was christliche Religion für ihr Leben bedeuten kann.



Was heißt Schulseelsorge?

Was heißt in dieser Situation eigentlich Schulseelsorge? Was müsste ihr Ziel (ihre Ziele) sein und welche Aktivitäten tragen zum Erreichen dieses Zieles bei?

Der Ansatzpunkt für die Bestimmung des Zieles von Schulseelsorge ist sicherlich das eben skizzierte außerschulische gesellschaftliche und kirchliche Umfeld. Aber ebenso entscheidend ist die Situation der Schüler in der Schule: ihre vielfältigen Konflikte mit Lehrern und Mitschülern, ihre Belastungen durch Noten und Hausaufgaben, ihre Erwartungen an die Zukunft usw.

Achim Linsen, Referent für Schulseelsorge im BGV Trier, hat das Ziel von Schulseelsorge adäquat umschrieben, wenn er sagt: „Schulseelsorge möchte dazu beitragen, dass die Schule zu einem Lebensraum der Schüler/innen wird, in dem sie sich wohlfühlen, in dem sie nicht krank (gemacht), sondern freier werden; in dem ihre Entwicklung hin zum Guten gefördert wird und der ihnen nicht Angst einflößt, sondern Mut macht, das Leben zu bestehen. Schulseelsorge möchte an den Schulen eine Kultur fördern, die sich den christlichen Wertvorstellungen verpflichtet weiß: Mitmenschlichkeit und Gesprächsbereitschaft, menschliche Nähe und Verständnis, respektvolles Miteinander-Umgehen und die Bereitschaft zur partnerschaftlichen Problemlösung.“ (in: Leben lernen, Stichworte für Eltern zum RU, GV Trier 1991, S. 11)

Damit möchte Schulseelsorge „Mitarbeit und Beitrag zur Humanisierung der Schule und zur Entwicklung einer offenen und menschenfreundlichen Schulkultur“ (A. Linsen, in: Schulseelsorge, Miteinander leben und glauben 1/91, S. 11) einerseits und Lebensbegleitung aus der Kraft des christlichen Glaubens andererseits sein. Dass es bei diesem Verständnis von Schulseelsorge dann nicht mehr nur um die Schüler/innen, sondern um alle am Schulleben Beteiligten: v.a. auch um die Lehrer/innen und nicht zuletzt um die Eltern geht, ist selbstverständlich.

„Schulseelsorge ist weder Rekrutierung kirchlichen Nachwuchses noch Katechese in der Schule, sondern ein Dienst der Kirche an der Schule, der Schülern, Eltern wie Lehrern zugute kommen muss.“ (Jan Heiner Schneider, in: Schulseelsorge, Miteinander leben und glauben 1/92, S. 7).

Sie hat das Wohlergehen der Menschen an der Schule zum Ziel und zwar aus dem Geist des Evangeliums heraus.

„Es gibt zwar kein katholisches Rechnen, auch keinen christlichen Hochsprung, es sollte aber den roten Faden geben, der durch alle Bereiche und Fächer geht. Christen unterrichten, Christen gestalten gemeinsam Schule. Christen arbeiten an der Schulkultur. Das Gesicht Jesus von Nazareth ausdrücklich zu machen im Umgang miteinander, ist gemeinsames Ziel.“ (Prof. A. Bechtel, Leiter der Schulabteilung des Bischöflichen Generalvikariates Trier auf der Schulleiterjahrestagung der Bistumsschulen in Vallendar am 28.09.1998).

Deswegen ist die entscheidende Frage nicht: Was hat die Kirche von der Schule?, sondern: Was kann die Kirche in der Schule einbringen?



Zielsetzung der Schulseelsorge

Diese beschriebene Zielsetzung von Schulseelsorge setzen wir am Vinzenz-von-Paul-Gymnasium durch vielfältige Aktivitäten im Schulalltag um:

  • Der Unterricht am Morgen beginnt mit einem gemeinsamen Gebet in der Klasse. Das gilt ebenso für das gemeinsame Mittagessen der Tagesheimschüler.
  • Wir feiern an wichtigen Punkten des Schuljahres die Eucharistie mit der ganzen Schulgemeinschaft (am Anfang des Schuljahres, am 27. September, dem Fest des hl. Vinzenz von Paul, am Beginn der Weihnachtsferien, am Aschermittwoch zum Beginn der Fastenzeit, zum Schuljahresende).
  • Jeden Dienstag in der ersten Stunde feiert eine Klasse ihren Klassengottesdienst, so dass sich jede Klasse etwa sechsmal während des Schuljahres zum Klassengottesdienst versammelt.
  • Aufgrund der Überschaubarkeit unserer Schule gibt es zahlreiche Gespräche zwischen Tür und Angel, in denen viele Probleme geklärt werden können und die zu einer menschlichen Atmosphäre in der Schule wesentlich beitragen.
  • Das gilt auch für viele persönliche Begegnungen unter vier oder mehr Augen im Sprechzimmer oder in den Klassen.
  • Mehrere Klassen fahren während des Schuljahres mit ihren Klassenlehrern zu religiösen Orientierungs- und Besinnungstagen in die Jugendbildungsstätte der Salesianer nach Jünkerath oder in die Landvolkshochschule nach Kyllburg.
  • Soziale Aktionen zugunsten des Müttergenesungswerks oder anderer caritativer Einrichtungen sowie Projekte in der dritten Welt werden mit den Kindern regelmäßig durchgeführt.
  • Bei Elternabenden kommt es oft zu thematischen Gesprächen.

Wenn Schulseelsorge so verstanden und praktiziert wird, erfüllt sie für alle an der Schule Beteiligten einen nicht leicht zu überschätzenden Dienst, dessen Wichtigkeit Wolfgang Viertelhaus, Fachleiter für Religion am Staatlichen Studienseminar für das Lehramt an Gymnasien in Trier meiner Meinung nach zutreffend so beschrieben hat:

„Die Bedeutsamkeit von Religion kann nicht morgens von 11.35-12.20 Uhr zwischen Mathematikarbeit und Sport vermittelt werden, in ungastlichen Räumen, in häufig zu großen Lerngruppen mit immer mehr verhaltensauffälligen Schülern. Auf der anderen Seite sind wir ReligionslehrerInnen die Gruppe von Theologen, Vertretern von Kirche, die noch fast mit der gesamten Jugend in Kontakt kommt. Während in den Pfarreien nur noch ein Häuflein von Insidern zu finden ist und häufig von pastoralen Mitarbeiterinnen als die Jugend wahrgenommen wird, sitzt vor uns noch der repräsentative Querschnitt eines Jahrgangs.

Aufgrund unserer Praxis dürften wir die kirchliche Gruppe sein, die in Bezug auf Jugend die größte und realistischste Wirklichkeitserfassung hat.“ (in: Schulseelsorge 1/92, S. 4-5).