Wir sind in eine Gemeinschaft berufen, die Erbe eines großen Charismas ist. Gott hat es seiner Kirche und durch sie allen Menschen guten Willens geschenkt. Charismen sind eine Gnade, Gaben des Heiligen Geistes, die oft als Antworten auf eine besondere Not in der der Kirche lebendig werden.

Papst Franziskus hat zum Jahr der Orden geschrieben: Jede unserer Gemeinschaften kommt aus einer reichen charismatischen Geschichte. Am Ursprung steht jeweils das Handeln Gottes, der in seinem Geist einige Menschen in die engere Nachfolge Christi ruft, um das Evangelium in eine besondere Lebensform zu übertragen, die Zeichen der Zeit mit den Augen des Glaubens zu lesen und mit Kreativität auf die Bedürfnisse der Kirche zu antworten. Die Anfangserfahrung ist dann gewachsen … Das ist wie der Same, der zum Baum wird und seine Zweige ausbreitet. (21. Nov. 2014, Nr. 1)

Der hl. Vinzenz von Paul (1581-1660) gilt als erster Empfänger einer Gabe des Geistes, die nach ihm benannt wird. Tatsächlich waren auch andere Personen maßgeblich aktiv an der Geburt, der Formung und Festigung des Vinzentinischen Charismas, dieser neuen geistlichen Lebensform in der Kirche beteiligt.

Vinzenz deutet seine Erfahrungen, die zu Gründungen von Gemeinschaften (Caritasvereine, Lazaristen, Barmherzige Schwestern) und zu Werken werden, mit Hilfe der Heiligen Schrift. Sein Denken kreist um Christus und um die Armen. Christus beständig in den Armen dienen, für ihren Leib und ihre Seele Sorge tragen – mit diesen und ähnlichen Worten wird Vinzenz seinen Schwestern und Brüdern ihre Aufgabe bzw. ihre Berufung verdeutlichen.

Spätestens seit dem II. Vatikanischen Konzil haben wichtige Aspekte des Vinzentinischen Geistes oder Charismas Eingang in grundlegende kirchliche Texte gefunden: Die vorrangige Option für die Armen; die eigenständige Berufung der Laien, speziell der Frauen; die Offenbarung Gottes durch die Zeichen der Zeit …

Angeleitet durch das Konzil hat auch unsere Gemeinschaft sich neue Konstitutionen erarbeitet. Über unsere Berufung heißt es darin ganz am Anfang:

1. — Aufgabe der Kongregation der Mission ist es, Christus, der den Armen die Frohbotschaft ver­kündet, nachzufolgen. Dieses Ziel wird erreicht, wenn die einzelnen Mitbrüder und die Kommunitäten, wie der heilige Vinzenz,

  • 1.  ernstlich bestrebt sind, sich die Gesinnung Jesu Christi zu eigen zu machen, um die ihrer Berufung entsprechende christliche Reife zu erlangen;
  • 2.  den Armen, vor allem den Verlassensten, die Frohbotschaft zu verkünden;
  • 3.  Geistliche und Laien auszubilden, um sie zur wirksamen Verkündigung der Frohbotschaft bei den Armen zu führen.

2. — Ausgerichtet auf dieses Ziel, das Evangelium vor Augen und mit Aufmerksamkeit auf die Zeichen der Zeit und die drängenden Anrufe der Kirche, muss die Kongregation der Mission neue Wege gehen und die Mittel gebrauchen, die der Zeit und den Umständen angepasst sind. Außerdem soll sie ständig ihre Werke und Dienste überprüfen. So bleibt sie in einem steten Erneuerungsprozess.